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LIV Lust

LIV Lust

29.07.16 05:19 8.368Text: NoMan
Lisi Hager

nicht mehr sehr blond, immer noch blauäugig, schokosüchtiger denn je

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Fotos: Erwin Haiden
Wenn ein Fully für Frauen schon kraft seines Namens Lust aufs Mountainbiken macht, ist das bereits die halbe Miete. Hält das 100-mm-Bike dann auch noch, was es verspricht, ist der Deal für Einsteigerinnen mit Anspruch oder Routiniers mit klar begrenztem Budget perfekt.29.07.16 05:19 8.377

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29.07.16 05:19 8.3771 Kommentare NoMan
Lisi Hager

nicht mehr sehr blond, immer noch blauäugig, schokosüchtiger denn je

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Erwin Haiden
Wenn ein Fully für Frauen schon kraft seines Namens Lust aufs Mountainbiken macht, ist das bereits die halbe Miete. Hält das 100-mm-Bike dann auch noch, was es verspricht, ist der Deal für Einsteigerinnen mit Anspruch oder Routiniers mit klar begrenztem Budget perfekt.29.07.16 05:19 8.377

Putzig! Im Zusammenhang mit einem Lady-Bike taugt dieses Wort nicht unbedingt, um Verständnis für die Bedürfnisse der Zielgruppe zu signalisieren, Respekt gegenüber seinen Entwicklern und Wertschätzung für das Ergebnis. Aber es war nun mal, was mir durch den Kopf schoss, als ich das Liv Lust zum ersten Mal vor mir stehen sah. Putzig sieht das 27,5-Zoll-Bike für Damen mit seinem ziemlich schlanken Alu-Chassis, tief gezogenen Oberrohr und überschaubaren Federweg aus. Possierlich steht es da mit seinen schmalen Reifen, kurzen Rohren und farbigen Akzenten. Fidel wirkt es, mit dieser frech-fröhlichen Kombination von "Eloxalbrombeere" und Neonorange. Aber gleichzeitig scheint dem 100-mm-Fully auch richtig der Schalk im Nacken zu sitzen ...

Giant, die ja hinter dem Lady-Label Liv stehen, positioniert das Lust - im Gegensatz zu lediglich sportlichen Rädern - als Performance-orientiertes XC-Bike. In dieser Rolle markiert es die goldene Mitte zwischen dem Hardtail Obsess und dem All Mountain Intrigue, wobei es laut Hersteller dezidiert auch für den Renneinsatz gedacht ist.
Das mag, um ein Testergebnis gleich vorwegzunehmen, für die beiden hierzulande erhältlichen Carbon-Versionen (€ 3.299,90/2.799,90) und eventuell auch für die besser und leichter ausgestattete Alu-Version Lust 1 (€ 2.599,90) zutreffen. Mit dem Einsteiger-Modell Lust 2 bleibt man besser dort, wo keine Uhr tickt, denn es ist mit 12,7 Kilogramm schlichtweg nicht konkurrenzfähig und zeichnet sich darüber hinaus durch weitere Eigenschaften bzw. Ausstattungsdetails aus, welche es weniger für den Wettkampf, als für den entspannten Wegerl-auffi-und-owi-Einsatz prädestinieren; aber dazu später mehr.

 Putzig. Possierlich. Fidel 

Der erste Eindruck
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Liv-Bikes setzen auf drei große F: Fit, Form, Function. Basierend auf umfangreichem Datenbank-Material zu frauenspezifischen Abmessungen und Fahrgewohnheiten führte dieses Triple-F im Falle unseres Testbikes zu einem kompakten Hydroforming-Rahmen mit reichlich Überstandshöhe, einem speziellen Damensattel und, so unterstelle ich dem Radsport-Giganten jetzt einfach, wohlüberlegter Übersetzung.

Technik

Gefertigt werden die mehrfach konifizierten Rohre des Lust aus der patentgeschützten Aluxx SL Legierung, welche, gepaart mit Giants Fertigungs-Know-how, am Ende 30% mehr Steifigkeit ergeben soll als herkömmliche 6061er-Rahmen. Ob die 27,5er-Plattform deshalb hinten ohne Steckachse auskommt? Fakt ist: Das Steifigkeits-Plus mit Extrapunkten fürs einfache Handling wird nur vorne verbaut.
Eben dort sitzt auch das OverDrive2-System, bei dem sich ein konisches Steuerrohr und ein überdimensioniertes Steuerkopflager zusammentun, um die torsionale Verwindungssteifigkeit weiter zu erhöhen - die Lenkpräzision soll entsprechend ausgeprägt sein.
Dank Hydro- und Pressforming entfallen die Gussets. Wo weniger Material und Schweißarbeiten, da üblicherweise auch geringes Gewicht. Wie bereits erwähnt, kommt das Lust 2 in Größe S/16" aber auf stolze 12,7 kg. Von echtem Leichtbau dürften wir also doch ein Eutzerl entfernt sein.
Macht aber nichts, sofern der wichtigste Teil eines Fullys gut funktioniert - und das tut der Maestro-Hinterbau ja bei zahlreichen Giant-Modellen. In insgesamt sechs Federwegskategorien im Einsatz, ist diese Technologie mindestens so bewährt wie vielseitig. Auszeichnen soll sich das ausgeklügelt angeordnete Quartett von Haupt-Drehpunkten vor allem durch Treteffizienz, Federungsaktivität und Bremsunabhängigkeit.

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Sauber verarbeitet und liebevoll designt, überrascht es beinahe, wie nackt und bloß der Rahmen ausgeliefert wird. Abgesehen vom dafür umso mächtigeren Kettenstrebenschutz bewahrt ihn ab Werk nichts vor Steinschlägen oder Scheuerstellen. Bestückt ist das Lust 2 mit einem Deore-Mix, sperrbaren Fox-Federn und vielen Eigenparts, darunter die fühlbar schweren Laufräder, das Cockpit und der Sitzthron.
Die Schaltzüge sind innen verlegt, für eine extern angesteuerte Dropper Post gäbe es Führungen am Unterrohr. Serienmäßig heißt's jedoch z.B. beim Transport in einem kleinen Auto brav schrauben, denn die Sattelstütze hat keinen Schnellspanner. Bemerkenswert im positiven Sinn: Wiewohl der Rahmen so klein wirkt, hätte trotzdem eine große Trinkflasche (knapp, aber doch; und nur bei Verwendung eines Flaschenkorbes, der zumindest ansatzweise seitliches Entnehmen gestattet) Platz.

Tech Specs

Rahmen:Aluxx SL-Grade, 4" Maestro SuspensionSchaltwerk:Shimano Deore
Größen:XS/S/M/L Bremsen:Shimano M395, 160/160 mm
Gabel:Fox 32 Float Performance, 100 mm, QR 15 Bremshebel:Shimano M396
Dämpfer:Fox Float Performance Schalthebel:Shimano Deore, 2x10
Tretlager:Shimano Press-Fit Vorbau:Giant Connect, 80 mm
Kurbel:Shimano Deore, 22/36 Z. Steuersatz:FSA
Laufräder:Giant S XC-2 Lenker:Giant Connect XC Riser 690 mm
Reifen:Schwalbe Racing Ralph Perf., 27.5x2.25" Sattelstütze:Giant Connect
Kette:KMC X10 Sattel:Liv Contact Forward
Kassette:Shimano HG-50, 11-36 Z. Gewicht:12,7 kg
Umwerfer:Shimano Deore Preis: € 2.099,90
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Geometrie

Apropos Platz: Davon hat man, einmal aufgesessen, überraschend viel. Freilich, ganz haben die Blicke nicht getäuscht: Das Bike ist kompakt, handlich, schmal (nicht zuletzt, weil 690 mm Lenkerbreite heutzutage ja fast als unterdimensioniert gelten. Ich meine: Fürs Gros der weiblichen Schulterbreiten ist das genau richtig). Aber es ist nicht, wie anfänglich befürchtet, zu klein, insbesondere zu kurz, im Gegenteil: Es ist perfekt. Bequem, den Körperschwerpunkt zentral positioniert und ob der 27,5“-Laufräder auch eindeutig Herrin des Gefährts statt Passagier eines Monsterrollers, konnte ich speziell dem tief gezogenen Oberrohr einiges abgewinnen – Stichwort Bewegungsfreiheit, oder später dann auch Handling.
Einzig Rennfahren im klassischen Sinne – einen XC, bei dem's ums Überleben geht, ein Marathon, wo nur angedrückt wird – würde ich mit so viel frontaler Angriffsfläche und so weit geöffneter Hüfte nicht wollen. Um mal unverbindlich in einen Langstrecken-Bewerb hineinzuschnuppern, passt der Grad an Sportlichkeit aber allemal.

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Fahreindrücke

Mit oben beschriebener Sitzposition ist im Grunde auch schon vieles zum optimalen Einsatzbereich des Liv Lust gesagt. Und das Schöne ist: In seinen Fahreigenschaften folgte es dieser Einschätzung aufs Wort und entpuppte sich als spaßiger Allrounder für Touren, Ausflüge, gelegentliche Zielsprints und mehr.

Der Maestro-Hinterbau funktionierte, wie eigentlich erwartet, gut und sensibel, hielt die Fuhre im Rahmen der Möglichkeiten von 100 mm Travel bergauf sanft am Boden, bergab sicher in der Spur und mischte sich kaum in die Tretarbeit ein (einzig bei einem harten Antritt mit offenem Dämpfer, aber von derlei zeigt sich wohl kaum ein Federungssystem unbeeindruckt). Dazu passte auch die Performance der Gabel: feinfühlig, aber auch geizig genug mit ihren letzten Quäntchen Federweg, arbeitete die Fox 32 insgesamt sehr unaufgeregt und zuverlässig.
Nicht ganz harmonisch wirkte das Fahrwerk mit der jeweils mittleren Position des 3-Wege-Hebels. Hier schien das Heck im Vergleich zur Front zu ruppig – als ob ihm ein Hauch zu viel Federweg weggenommen worden wäre.

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Die Gangwechsel mit der Deore verliefen auch unter Last klaglos und leidlich schnell. Auf Schlammschlachten reagierte die Kombination mit der KMC-Kette in einem früheren Test eher verschnupft; „leider“ bot sich keine Gelegenheit zu ergründen, wie es mittlerweile um die Schmutzresistenz bestellt ist.
Bemerkenswert ist die gewählte Übersetzung: Mit 22/36 wird man automatisch zum Klettermaxl und hat bergauf immer jede Menge Reserven für kräfteschonendes Haxeln oder einfach sehr gemütliches Weiterrollen – ein Vorteil, den die Zielgruppe zu schätzen wissen wird. Umgekehrt ist allerdings bei 40 km/h Schluss, schneller wird’s mit 36:11 einfach nicht. Auch dieser Umstand spricht, nebst Gewicht und Sitzposition, gegen das Lust im harten Renneinsatz, umso mehr aber für zahlreiche, genussorientierte Touren.

Die spürbar schweren Laufräder verdienten insofern Respekt, als sie trotz einer massiv verbogenen Speiche vorne (das Bike stand vor dem Besuch in der BB-Redaktion im Testeinsatz bei den Eurobike Media Days) kaum Seitenschlag aufwiesen.
Am bequemen Sattel gefiel, dass auf seiner relativ breiten Nase viele Sitzpositionen möglich waren. Die anfangs misstrauisch beäugten Griffe entpuppten sich als wahre Grip-Wunder, deren silikonartige Oberfläche sich zwar nicht unbedingt sympathisch anfühlte, aber eben bombenfesten Halt verlieh.
Keine besonders innige Beziehung wollte zu den Bremsen aufkommen. Die Hebel schwergängig und bei Betätigung knarzend, war es mit der Dosierbarkeit nicht allzu weit her. Und den beiden 160er-Scheiben wurde auf einer Trailabfahrt von der Rosalia (für Ortsfremde: das ist kein Hochgebirge …) überraschend schnell ziemlich warm. Prinzipielle Bremskraft und Hebelergonomie waren aber in Ordnung.

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Und so fuhren wir dahin, das Lady-Fully und ich. Vom ersten Meter an schätzte ich seinen spielerischen Charakter; dass es mit seinem tiefen Schwerpunkt so wendig und willig unter mir dahinrollte, jederzeit bereit, nach links oder rechts gedrückt oder per Wiegetritt nach vorne bugsiert zu werden – was zudem meine zentrale Position über dem Rad noch verstärkte.
Nervös wirkte es im Gegenzug erfreulicherweise nie, einzig die mittlere Dämpferposition machte aus dem an sich satt am Trail liegenden Hinterbau ein leicht aufgeregtes Springginkerl.
Und natürlich musste ich dem Gesamtgewicht etwas Tribut zollen, Stichwort Beschleunigung. Um 2.000 Euro sind diesbezüglich naturgemäß keine Wunder zu erwarten; aber anfangs hoffen und dann ein wenig nörgeln wird man ja noch dürfen …

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Fazit

LIV Lust
Modelljahr:2016
Testdauer:2 Wochen, 140 km
+schön verarbeiteter Rahmen
+endlich wieder etwas buntes!
+Wohlfühl-Geometrie
+sicheres Fahrgefühl vom 1. Kilometer
+effektives Hinterbau-System, harmonisches Ganzes
+hochwertige Federelemente
+viel Platz für Trinkflasche
oÜbersetzung
okein Sattelstützen-Schnellspanner
-schwergängige Bremshebel, nur 160er-Discs
BB-Urteil:Liv macht Lust!

Ein hochwertiges Fahrwerk, das gänzlich unkomplizierte und sehr sympathische Handling und die durchwegs brauchbarer Bestückung macht das Liv Lust zum XC-Allrounder, der viele Frauen zufrieden stellen wird.
Freilich: Mit 100 mm Federweg vorne und hinten ist man gerüstet fürs Raue, aber nicht Grobe. Mit Deore & Co. gelingt das Alltägliche, aber nicht das Außergewöhnliche. Ein Racing Ralph kann manches, aber nicht alles, usw. usf. Grundsätzlich liefert die Geometrie aber die ideale Basis und das Maestro-System die nötige Performance, um binnen sehr kurzer Zeit eine sehr solides Vertrauensverhältnis zwischen Fahrerin und Fully aufkommen zu lassen, das in der Folge höchstens durch die Bremsen ein wenig getrübt wird. Wer noch ein paar Euros zum Tunen hat, sollte demzufolge in Deore-Discs mit 180er-Scheibe vorne investieren.

Mir jedenfalls hat die (leider etwas kurze) Zeit mit dem schön verarbeiteten und liebevoll designten Bike großen Spaß gemacht und ich würde es jederzeit auf flotte Trainingsrunden, ausgedehnte Touren oder auch gemächliche Ausflüge mitnehmen. Renneinsätze würde ich damit hingegen – ein erstes Reinschnuppern ohne große Ambitionen ausgenommen – aus Gewichts-, Geometrie und Übersetzungsgründen nicht forcieren.
Putzig finde ich das Lust übrigens nach wie vor. Aber ich schwöre: Keine Silbe dieses Ausdrucks ist dabei geringschätzig gemeint ...

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